Er hielt mich mit einer gespreizten Hand am unteren Rücken, einem Arm um meine Schultern. Eng an seine Brust gepresst, griff ich nach den Aufschlägen seines schwarzen Mantels und hielt sie fest. Viel mehr konnte ich nicht tun. Es war als ob dieser Mann eine Art Pheromon ausströmte, das mein zentrales Nervensystem ausser Kraft setzte. Stehen ohne zu taumeln war mir nicht möglich. Es half auch nicht, dass es schon eine Weile her war, seit ich das letzte Mal geküsst worden war, vergessen hatte wie man es richtig tat und vergaß zu atmen.
Ich riss meinen Mund von seinem und atmete mit einem lauten Keuchen auch den Geruch seines Eau de Cologne und eine leichten Hauch von Whiskey ein.
Das war mein Anhaltspunkt. „Hast du getrunken?“
„Ganz schön viel.“ gab er kleinlaut zu. „Andernfalls hätte ich nicht die Courage gehabt, herzukommen.“
„Und wenn der Kater dann zuschlägt, wirst du es vermutlich bereuen, dass du die Courage hattest.“ Ich legte meine Handflächen auf seine Brust und trat einen Schritt zurück. „ So romantisch und Hollywood- artig du dir das auch vielleicht vorgestellt hast, in den letzten 24 Stunden hast du mich so sehr herumgezerrt, das ich keine Ahnung habe wie ich darauf reagieren soll.“
Offensichtlich war betrunkene Ehrlichkeit ansteckend. Und dem Herrn sei Dank dafür, denn ansonsten hätte ich wohl allem zugestimmt, was er gewollt hätte, ohne einen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden.
Das machte Neil zu einem für mich sehr gefährlichen Mann.
Er sah niedergeschlagen aus. „Du hast Recht. Ich hätte nicht... Ich war nur nicht sicher, wie wir uns geeinigt hatten. Und ich würde sehr gerne herausfinden, ob da etwas zwischen uns ist.“
„Ich denke es ist ziemlich offensichtlich, das da etwas zwischen uns ist.“ Es wäre sinnlos gewesen es weiter zu leugnen. „Aber ich bin nicht sicher, ob es funktionieren würde.“
„Es ist nicht so, dass ich eine feste Beziehung möchte.“ fuhr er fort, mich wachsam beobachtend.
Ich fragte mich, ob er dachte dass er mir wehtat, weil er nicht an einer quälenden, nichterwiderten Liebe zu mir festhielt.
Diesen Gedanken musste ich schnell zu Bett bringen. Christus, hatte ich gerade über das Bett nachgedacht? Nein, feste Beziehungen, das war es worüber wir sprachen.
Du musst einen klaren Kopf bewahren, Scaife. Du darfst in Bezug hierauf nicht albern sein.
„Ich bin auch nicht auf dem Markt für etwas ernsthaftes. Zumindest im Moment nicht. Für eine Weile nicht.“ Es war keine List; einen festen Freund zu haben war zur Zeit ziemlich weit unten auf der Liste meiner Prioritäten. „Ich habe mein ganz eigenes Leben erst vor zwei Jahren begonnen, als ich meinen College Abschluss machte. Ich bin noch nicht soweit, es mit jemandem zu teilen.“
Er lächelte mich mit einem Ausdruck im Gesicht an... war das Bewunderung? Ich glaubte nicht, das ich etwas besonders bewundernswertes gesagt hatte, ich war nur ehrlich gewesen.
„Das klingt fair. Aber heute mittag hast du vorgeschlagen, dass wir uns ganz locker sehen könnten.“
Wie schaffte er es so vernünftig und klug zu klingen, obwohl er betrunken war?
Wahrscheinlich hatte es eine Menge mit seinem Akzent zu tun. Er hätte hier ankommen können und sagen, dass er Porteras in ein Automagazin verwandeln würde und ich hätte seine Vision gelobt. Und das nur weil er so kultiviert und vornehm klang.
Herrgott, manchmal konnte ich so stereotypisch amerikanisch klingen.
Ich zuckte die Achseln. „Das war bevor ich wirklich über den Job nachgedacht hatte, den du mir angeboten hast. Ich würde dieses Angebot gerne annehmen, aber das letzte was ich gebrauchen kann ist das die Leute sagen, ich hätte diese Beförderung gekriegt weil ich mit dem Chef schlafe.“
„Das wäre ein Problem wenn wir indiskret wären. Planst du alle unsere sexuellen Aktivitäten dem ganzen Büro zu erzählen?“ Er hob fragend eine Augenbraue.
„Nein, natürlich nicht.“ Ich versuchte an eine Gelegenheit zu denken, bei der ich jemals... Oh ok, erwischt. „Ich unterhalte mich gelegentlich mit einer meiner Arbeitsfreundinnen über private Dinge.“
„Das tue ich auch und genau das ist der Grund, warum ich hier bin.“ Er gestikulierte in Richtung der Couch. „Würde es dir was ausmachen, wenn wir -“
„Oh natürlich, entschuldige.“ Ich bedeckte meine Augen mit einer Hand, aber es half nicht viel um meine Verlegenheit zu verstecken. „Tut mir leid, ich bin nicht sehr unterhaltsam.“
„Ganz im Gegenteil, du unterhälst mich immens.“ Er saß auf der Couch und runzelte die Stirn als er Arterienklemme aufhob, die Holli als Stummelklemme benutzte.
Das verbrannte Ende eines ziemlich großen Joints steckte noch immer in der Zange.
Ich riss sie ihm aus der Hand und schmiss sie in Panik über meine Schulter, wo sie klappernd auf dem Boden der Kochzeile landete.
„Das gehört meiner Mitbewohnerin.“ erklärte ich schnell. „Ich würde niemals -“
„Sei nicht so nervös. Ich bin nicht hier um dich auszuspionieren.“ Er klopfte neben sich auf die Couch, aber dort setzte ich mich nicht hin. Ich setzte mich auf die Lehne eines Sessels, ausser Reichweite seines sexuellen Magnetismus.
Ach, wenn wollte ich hier verarschen? Er könnte jetzt in Finnland sein und meine weiblichen Teile würden bei dem Gedanken an ihn trotzdem ganz sehnsuchtsvoll werden.
Alleine dass er ,unsere sexuellen Aktivitäten‘ gesagt hatte, schickte meinen Puls südwärts.
„Sorry, ich dachte ich hätte dich schockiert.“ Warum hatte ich das gesagt? Vielleicht wäre es besser, das weiter zu erklären. „Du weisst schon, verschiedenen Generationen und so.“
Weitere Erklärungen machten Verlegenheit nie besser. Ich hätte es langsam besser wissen sollen.
„Ja, fürchterlich schockierend.“ stimmte er spottend zu. „Da Jugend und Drogen erst vor fünf Jahren erfunden wurden, bin ich ganz klar noch nie damit in Berührung gekommen.“
Mein Gesicht brannte vor Peinlichkeit. „Bist du nur hergekommen, um mich zu ärgern?“
Sein Gesichtsausdruck änderte sich zu einem der Reue, weil er meine Gefühle verletzt hatte. „Ich denke es ist offensichtlich, das ich herkam weil ich mich noch immer von dir angezogen fühle. Ich dachte jeden Tag an dich. Das habe ich dir zwar schon gesagt, aber ich muss es einfach wiederholen. Wenn ich dein Ticket nicht gestohlen hätte - und lass mich dir nochmal sagen wie leid mir das tut, im Rückblick -“
„Vergeben.“ unterbrach ich ihn. Der plötzliche Umschwung schien weniger mit Alkohol als mit mir zu tun zu haben und ich fühlte mich geschmeichelt und etwas überwältigt. Aber etwas dass er vorher gesagt hatte, wand sich in meinem Hirn. „Du sagtest, du hättest dich mit einem Arbeitskollegen unterhalten und wärst deshalb hier?“
„Rudy.“ gab er zu. „Es tut mir leid, ich weiß dass er auch mit dir arbeitet, aber er ist seit Jahren mein bester Freund. Ich nehme an, das er jetzt für meine Firma arbeitet, ändert die Dynamik... aber ich musste einfach mit jemandem reden. Er ist die einzige Person in meinem Leben, die von dir weiß und wie wir uns getroffen haben. Und er ist die einzige Person in New York, der ich mit persönlichen Dingen vertraue. Es gab sowas wie eine Sorgerechtsschlacht und die meisten meiner Freunde hier habe ich verloren.“
Ich runzelte die Stirn. „Ich dachte, deine Tochter wäre 24.“
„Sorgerecht über die Freunde.“ Er lächelte traurig. „Bekanntschaften, eigentlich. Ich verbrachte die meiste Zeit mit arbeiten. Elizabeth knüpfte die meisten unserer Kontakte hier, durch ihre Wohltätigkeitsarbeit.“
„Ah.“ Ich wollte mich wirklich, wirklich nicht über seine Scheidung unterhalten, fast so wenig wie ich über seine Einsamkeit in der Stadt reden wollte. Ich erinnerte mich an die beiden Wochen an der NYU bevor die Hausverwaltung Holli in meinen Schoß hatte fallenlassen und wie fürchterlich und leer diese Zeit sich angefühlt hatte.
Auf diese Weise wollte ich nicht mit Neil sympathisieren, denn das wäre nur eine weitere Entschuldigung um sich auf ihn aus den falschen Gründen einzulassen. Wenn wir das durchziehen würden, dann sollten wir es richtig tun.
Ich atmete tief ein und wägte vorsichtig meine Antwort ab. „Ich bin mir nicht sicher, wie ich darüber denke, dass du... Rudy erzählt hast, was auch immer du ihm erzählt hast. Ich muss ja auch mit ihm arbeiten. Aber wenn du ihm vertraust dein Geheimnis für sich zu behalten, dann kann ich das auch. Du hast in dieser Situation mehr zu verlieren als ich, denke ich.“
Neil schüttelte den Kopf. „Das läuft gerade sehr anders ab, als ich es mir vorgestellt hatte.“
„Du hattest erwartet, das du hier ankommst und wir es miteinander treiben?“ Die Worte schickten einen Schock der Spannung durch mich.
„Kannst du mir vorwerfen, dass ich es versucht habe?“ er lächelte dieses halbe Lächeln, das meine Knochen schmelzen ließ. „Ich sollte gehen. Das war ein sehr unangemessener Besuch.“
Ich sah zu, wie er aufstand und zur Tür ging und meine Brust verengte sich. Ok, er hatte dem augenrollenden Rudy unser kleines, dreckiges Geheimnis von vor sechs Jahren erzählt. Ich hatte es Holli erzählt, oder? Und sie arbeitete gelegentlich für das Magazin. Es war vielleicht nicht dieselbe Stufe auf der Indiskretionsskala, aber wenn er auch nur einen Bruchteil der gefühlsmässigen Verwirrung durchmachte wie ich, dann war es kein Wunder das er ein sympathisches Ohr gebraucht hatte.
Ausserdem suchte er keine feste Beziehung. Auch wenn die öffentliche Meinung der Gesellschaft mich als ein Flittchen ansah, weil ich Sex ohne eine Beziehung wollte, die Öffentlichkeit konnte mich mal am Arsch lecken.
Ich liebte Sex und jemanden zu finden, mit dem ich Sex wollte und der auch noch gut darin war und der mich nicht in seinen 5 - Jahresplan integrieren wollte, war in dieser acht- Millionen- Stadt irrwitzig schwer. Besonders wenn man jeden verfügbaren Kerl mit dem unmöglichen Standard des fantastischen Neil Elwood verglich.
Und hier war er, der Mann der die Messlatte meiner sexuellen Erwartungen gesetzt hatte. Er war genau was ich wollte.
„Warte.“
Er blieb stehen und seine Stirn legte sich vor Verwirrung in Falten.
„Wenn du Lust auf ein wenig ,ausserschulischen‘ Spaß hast und das hier nicht nur eine seltsame Art männlicher sexueller Schnitzeljagd ist, bei der du deine Sekretärin vögeln musst, um Punkte zu sammeln...“ Meine Stimme verhallte. Irgendwie war ich vom Weg abgekommen. Ich atmete durch die Nase ein und richtete mich auf. „Dann ok. Lass uns uns ganz locker treffen.“
„Wenn du sagst ,uns ganz locker treffen‘...“ begann er vorsichtig.
„Dann meine ich, lass uns Sex haben. Auf eine nette, bedingungslosen Weise.“
Es kam mir nie in den Sinn mich darüber zu sorgen, ob er mich für eine Schlampe hielt, weil ich mich auf so eine Vereinbarung einließ. Es war seltsam, aber ich spürte das ich ihm vertrauen konnte, mit mir ehrlich zu sein.
Vielleicht sollte jede Beziehung so beginnen... die Art von Sex mit jemandem haben, von dem man dachte dass man ihn nie wieder sehen würde.
„Und heute nacht läuft nichts.“ erklärte ich ernst. Es erforderte eine Menge Selbstkontrolle während dieser Worte nicht zu wimmern.
Ich hatte so viele Jahre über ihn fantasiert - und nur über ihn - und nun stand er vor mir, mehr als willig all die versauten Dinge zu tun von denen ich geträumt hatte. Aber ich hatte eine strikte ,kein Sex mit Betrunkenen‘- Regel.
Ein langsames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und all die Ungezogenheit die es versprach war genug, um mir eine Gänsehaut zu verpassen. „In Ordnung. Wir haben sechs Jahre gewartet, also sollte es keine Problem sein, weitere... 24 Stunden zu warten?“
„24 Stunden?“ wiederholte ich mit dem Herz in meiner Kehle. Ich verschränkte die Arme über meiner Brust, mir sehr bewusst das meine harten Nippel am dünnen Material meines Pyjamas rieben.
„Zweiundzwanzig?“ Er trat auf mich zu, seine Lippen zu einem schiefen Grinsen verzogen und sah auf mich herab.
Er fasste mich nicht an, aber er war mir so nah, das sein Mantel meine Ärmel berührte. Hämmernde, pure sexuelle Energie pulste zwischen uns. Wenn er die Arme geöffnet hätte, auch nur versucht hätte mich zu umarmen, wäre ich bereitwillig hinein gefallen... Betrunkenen- Regel oder nicht.
Aber er tat es nicht. Er sah mich nur nachdenklich an, sein Blick glitt über mein Gesicht als ob er versuchte einen komplizierten Code zu entziffern. „Ich denke, dich sechs Jahre lang zu wollen, ist genug.“
Dich sechs Jahre lang zu wollen.
Er wollte mich genauso wie ich ihn. Erleichterung und Anspannung zur selben Zeit ergeben ein seltsames Gefühl. Mir fielen viele gute Gründe ein, ihn mich nicht an die Wand drücken und vögeln zu lassen, ohne etwas auszuziehen. Aber keiner dieser Gründe - nicht mal die Tatsache das ich einen peinlichen Schlafanzug drunter trug - schien mir Grund genug.
Meine Zunge schoss hervor und befeuchtete meine Lippen. Es war einfacher Augenkontakt herzustellen, wenn ich sarkastisch und vorsichtig sein konnte. „Nun da das alles aus der Welt geschafft ist... Ich würde dir ja einen Drink anbieten, aber ich denke du hattest schon genug.“
„Ja und ausserdem wartet da draussen ein Wagen auf mich.“ Er lehnte sich herunter, seine Lippen nur Millimeter von meinen entfernt. „Ich sehe dich morgen... mit weiteren Anweisungen.“
Er küsste mich - viel zu kurz - und ging.
Ich stand lange an der Tür und fragte mich, was da gerade passiert war. Im Moment sah es so aus als ob ich kriegen würde, auf was ich gehofft hatte, nach sechs langen Jahren wenigen Hoffens. Gleichzeitig hatte ich gerade zugestimmt mit meinen Chef zu schlafen... wieder.
Hollis Schlafzimmertür öffnete sich einen Spalt. „Ist es sicher herauszukommen?“
„Ich habe keine Ahnung.“ Ich ging auf tauben Beinen zur Couch und ließ mich darauf fallen. Zwei Fingerspitzen legte ich an meine Lippen und fuhr langsam darüber. Ich konnte ihn dort immer noch spüren, ein endloses Kribbeln das bis zu meinem sehr nassen Slip ausstrahlte.
„Ich habe gespitzelt. Sei bitte nicht böse.“ Sie tappte ins Wohnzimmer. „In Person sieht er nur wie... eine normale Person aus.“ Sie zuckte die Achseln.
„Ok, ganz eindeutig hast du deine Kontaktlinsen herausgenommen, denn er ist traumhaft.“ Über Männer waren wir uns niemals einig, denn wenn Holli mal auf Kerle stand, sahen die aus als ob sie gerade aus ihrem Vertrag mit dem Disney Channel rausgekommen waren.
„Jupp... denke ich. Wenn man so auf den Daddy- Typ steht.“ gestand sie achselzuckend ein.
Jedem das seine, schätze ich. „Er könnte fürchterlich vernarbt sein durch ein chemisches Feuer und es wäre egal. Er bewegt einfach etwas in mir.“
„Ja, deine unartige Seite, die gern den Hintern versohlt kriegt.“ Hollis Augen glänzten lasziv enthusiastisch. „Was denkst du, was er diesmal mit dir anstellen wird?“
„Wenn ich mir die Zeit nähme, darüber nachzudenken, könnte ich heute nacht nicht schlafen.“ Würde ich wahrscheinlich sowieso nicht. Wie sollte ich durch die Nacht und den nächsten Tag kommen, mit dem Wissen dass ich den besten Sex meines Lebens wiederholen würde?
Herrgott, ich hoffte dass ich noch neue Batterien da hatte.
Meine Augen sprangen auf noch bevor der Wecker klingelte.
Ich war noch nie in meinem ganzen Leben so aufgeregt gewesen, zur Arbeit zu gehen wie heute.
Nicht einmal an meinem allerersten Tag. Nicht als Madonna letztes Jahr zu Besuch kam, um mit Gabriella zu Mittag zu essen.
Ich fragte mich, ob Neil zu schätzen wusste, dass er bei mir höher rangierte als Madonna und quietschte in mein Kissen. Ich wusste, ich musste mich selbst unter Kontrolle kriegen. Wenn ich den ganzen Tag darüber schwärmte, dass Neil und ich etwas miteinander anfangen würden, würde ich nicht meine beste Leistung bei der Arbeit bringen.
Ich wollte nicht nur wenige Tage nach der überraschenden Übernahme durch meine neuen Arbeitgeber Mist bauen.
Ich werde euch nicht mit den Details meines morgendlichen Berufsweges langweilen, so wie diese Details mich langweilen.
Stattdessen sage ich nur, dass ich auf der Arbeit ankam, mich an meinen Schreibtisch setzte, regelmäßig auf die Uhr sah und versuchte, meine Hormone unter Kontrolle zu halten, die schon bevor Neil überhaupt ankam in heller Aufregung waren.
Um halb neun kam er durch die Tür, grüßte mich lässig und reichte mir seinen Mantel. Es war seltsam, aber das Wissen dass wir bald miteinander schlafen würden, ließ eine Menge des Unbehagens zwischen uns verschwinden und wir waren in der Lage wie zwei normale Menschen zu funktionieren.
Zwei normale, unglaubliche geile Menschen. Ich war mir sicher hier für uns beide sprechen zu können, denn seine Hand strich über den unteren Teil meines Rückens als ich seinen Mantel weghing und ich bemerkte das er mir auf den Hintern sah, als ich mich umdrehte.
„Das darfst du nicht tun.“ erinnerte ich ihn. „Wir fliegen auf. Ausserdem steht das im Mitarbeiterhandbuch unter sexuelle Belästigung. Die Worte ,null Toleranz‘ werden da erwähnt.“
„Ja, ich habe es begriffen.“ sagte er trocken. „Heute morgen stehen sechs Leute auf meinem Terminkalender, die alle kommen um Schuhe rumzuwerfen und mich anzuschreien.“
„Kaffee und Wasser für sechs Personen, kein Problem.“ Natürlich wusste ich bereits von dem Schuh- Meeting aber er brauchte das nicht zu wissen. Bevor ich den Beauty Redaktionsjob antreten würde, wollte ich dafür sorgen, unverzichtbar zu erscheinen. Ich war der Meinung, dass es nie schadete mit dem besten Eindruck eine Stelle zu verlassen, wie mein College Studienbuch bewies. „Brauchen sie mich dabei, um Notizen zu nehmen?“
„Ja, bitte. Oh und bevor ich es vergesse...“ Neil setzte seine Lederaktentasche auf dem Tisch ab und öffnete sie. Er holte ein iPad in einem glänzenden schwarzen Cover heraus und reichte es mir. „Fang bei dem Dokument mit dem Namen ,Instruktionen‘ an. Und du wirst das hier brauchen.“
Meine Augen wurden groß, als er eine schmale Karte aus seiner Geldbörse zog. Er hielt sie zwischen zwei Fingern, als er sie mir anbot. „Der Name des Hotels und die Zimmernummer sind in dem Dokument aufgeführt. Ausser, dir passt es heute Abend nicht?“
Ich wusste, dass er ganz sicher sah, wie meine Hand zitterte, als ich die Schlüsselkarte von ihm entgegen nahm.
Sein Mundwinkel zuckte. Er wusste, dass ich mich nach ihm verzehrte. Gemessen an der skrupellosen Effizienz beim Planen unseres ,Dates‘ musste ich vermuten, dass es ihn ebenso nach mir verlangte.
Die Karte in der Hand drehend, warf ich einen vorgetäuscht desinteressierten Blick darauf, bevor ich sie langsam in den Ausschnitt meiner schwarzen Seidenbluse schob.
Ich wusste, dass er dadurch den Rand meines schwarzen Spitzen BHs sehen konnte und nahm mir deshalb Zeit, die dünne Karte in das BH- Körbchens zu stecken.
Er lachte leise und schüttelte den Kopf.
Erst als sich die Tür sicher hinter ihm geschlossen hatte, nahm ich das Cover vom Tablet und drückte den Power- Knopf.
Das ,Instruktionen‘ benannte Dokument prangte auf einem ansonsten fast leeren Bildschirm und ich öffnete es, während mein Blick immer wieder nervös zu der geschlossenen Tür huschte.
Der Text des Dokuments war eine einfache, an mich adressierte Notiz:
Sophie -
diese Schlüsselkarte gehört zum W Hotel auf der Lexington Avenue. Triff mich in der ,Wow‘ - Suite.
Neil
Die ,Wow‘ - Suite? Ich widerstand der Versuchung Google zu benutzen und warf mich stattdessen auf meine Arbeit.
Ich hatte gehofft, seine Instruktionen wären etwas deutlicher. Einige Hinweise darauf, was er sich für den Abend erhoffte, was er mit mir tun wollte... irgendwas.
Die Tatsache, dass er mir sogar diese kleine Freude versagte, machte mich verrückt und lenkte mich ab. Darum ging es wohl. Vielleicht dachte er, ich wäre immer noch die naive College Studentin, aber ich war mir sicher, ich konnte mir etwas einfallen lassen um ihn ebenso zu quälen.
Eine verruchte Idee kam mir in den Sinn, verursacht durch die Erinnerung seiner Stimme an meinem Ohr, meinen Händen die seine führten.
In unserem Hotelzimmer vor sechs Jahren hatte es einen Spiegel gegeben und ich hatte auf seinem Schoss auf unserem Hotelbett gesessen. Wir hatten beide im Spiegel beobachtet wie ich seine Finger in engen Kreisen über meine Klitoris geführt hatte.
Mir wurde ganz heiß als ich mich an den Anblick seines Schwanzes, der mich dehnte und das Geräusch meines glitschigen Fleisches unter seiner Hand erinnerte. Keuchend und mich windend hatte ich auf ihm gesessen.
„Sieh dir an, wie schön du bist.“ hatte er gegen mein Kiefer geflüstert, sein Blick traf meinen im Spiegel. „Sei niemals schüchtern, was dein eigenes Vergnügen angeht. Schäme dich nicht zu kommen.“
Der Anblick meiner eigenen Leidenschaft und sein hungriger Blick, als er zugesehen hatte, wie ich es mir mit seinen Fingern selbst besorgte, waren in mein Gedächtnis gebrannt.
Ja, damit konnte ich auf jeden Fall etwas anfangen.
Der Tag schlich so langsam dahin, dass ich dachte, die Zeit hätte sich verlangsamt, nur um speziell mich zu quälen.
Ich nahm am Schuh Meeting teil und niemand warf Schuhe nach Neil.
Nur Rudy sah aus, als ob er kurz davor stand, als sie sich wegen eines Manolo Blahniks stritten.
Rudy mochte den hohen Absatz und das rot- schwarze Farbschema. Als Neil sagte, dass es Clownsschuhe wären, sah es so aus, als ob gleich Real Housewives Action los ginge. Aber am Ende erwähnte Neil die Ähnlichkeit mit Schuhen aus der vergangenen Saison und Rudy musste zustimmen.
Ich denke, Rudy war von Neils Vertrautheit mit Mode genauso überrascht wie ich. Obwohl seine Firma auch ein Männermode Magazin veröffentlichte, hatte ich nicht realisiert, wie sehr Neil daran mitarbeiten musste, um in der Lage zu sein, hier bei Porteras Gabriellas Rolle auszufüllen.
Es war seltsam einfach, an diesem Meeting teilzunehmen, ohne sexuelle Gedanken zu haben. Naja, ohne zu viele sexuelle Gedanken. Ich wurde regelmäßig von dem Anblick von Neils großen Händen auf den zierlichen Frauenschuhen abgelenkt.
Ich stellte mir vor, wie er mir solche Schuhe von den Füßen streifte, seine Hand an meiner Wade entlang hinauf glitt, unter meinen Rock - aber das Magazin war mir wichtiger als meine Libido, weshalb ich diese Art von Tagtraum auf ein Minimum beschränkte.
Neil bei der Arbeit war ein komplett anderer Mensch als ich erwartet hätte.
Er hatte ein gutes Auge für Design, aber er konnte noch besser zuhören, wie ihm die Team erklärten, warum ihrer Meinung nach ein Modell unbedingt in die nächste Ausgabe gehörte.
Er stellte Fragen, diktierte mir gelegentlich Notizen und als das Meeting zu Ende war, wurde mir klar, dass ich kein mulmiges Gefühl im Magen hatte, wie es bei Meetings mit Gabriella immer der Fall gewesen war.
Für sie zu arbeiten hätte eine Lernerfahrung sein sollen, aber es war schwer etwas zu lernen, wenn man ständig auf sein eigenes Verhalten achten musste. Wenn man versuchte einen ruhigen Gesichtsausdruck beizubehalten, weil man Angst hatte etwas unvorteilhaftes zu sagen oder zu tun.
Nach dem Meeting, während Neil zum Lunch war, schickte ich eine schnelle Nachricht an Holli:
Treffe mich mit Neil nach der Arbeit. Es wird spät. Mach dir keine Sorgen.
Sie antwortete blitzschnell: Ooooooh ja. Hols dir, Baby!
Während ich eine bissige Antwort tippte, bekam ich eine weitere Nachricht, diese von Jake: „Gehe heute Abend mit einige von A‘s Freunden aus. Männliche Singles, interessiert?“
Ach Jake. Wir hatten die Firmenregel bezüglich der sexuellen Belästigung gebrochen, indem wir öfters romantische Ideen miteinander besprachen.
Wenn er wissen wollte, welchen Vibrator seine Freundin Amanda wohl am meisten mögen würde, kam er zu mir.
Als ich nicht wusste, warum mein ehemaliger Sexpartner nicht kam, wenn ich oben war, malte mir Jake alle möglichen Diagramme auf den Rückseiten von verworfener Testfotos.
Manchmal war es fantastisch einen platonischen heterosexuellen Freund zu haben.
Zu anderen Zeiten - wie jetzt zum Beispiel - wenn er plante seine Freundin zu fragen, ob sie zusammen ziehen würde, projezierte er wie ein... naja, Projektor.
Seit er mit Amanda zusammen war, versuchte er mir meinen Mr. Right zu finden. Ich war sicher, er plante schon unsere Doppeldates mit einem grauen ,hier Sophies Ehemann‘ Platzhalter, wo mein zukünftiger Partner eingefügt werden konnte.
Ich seufzte und wählte seine Nummer.
„Jake.“ Er meldete sich immer so, obwohl ich ihm gesagt hatte, wie dämlich das klang.
„Hey, ich bin heute Abend nicht dabei. Ich treffe mich mit einem Kerl zum Sex in einem Hotelzimmer.“ Den zweiten Teil hatte ich hinzugefügt in der Hoffnung, das er endlich verstehen würde, dass ich derzeit nicht nach meinem Traumprinzen suchte.
„Und dafür lässt du ein Treffen mit dem Kerl sausen, der der Mann deiner Träume sein könnte?“ Frustriert seufzte er in Telefon.
„Bist du sicher, dass du kein Interesse hast? Einer von ihnen ist ein Kennedy.“
„Ohja, das ist wirklich ein Anreiz.“ schnaubte ich.
„Ich wollte schon immer in meinen Dreißigern unter mysteriösen Umständen sterben.“
„Es klingt als ob du unter mysteriösen Umständen noch in deinen Zwanzigern sterben willst.“ schimpfte Jake.
„Dieser Kerl... das ist kein Fremder, oder? Du bist nicht dabei, dich in einem Hotelzimmer ermorden zu lassen?“
„Nein, es ist jemand, dem ich vertraue.“ Überlass es Jake, mein Liebesleben in eine Episode von Dexter zu verwandeln.
Nicht dass ich seine Sorge nicht schätzte. Ich wünschte mir nur, dass Leute die sich um mich sorgten mir auch etwas Verstand zutrauten.
„Na dann viel Spaß.“ Sein resignierter Ton machte klar, dass er in seiner Sorge darauf warten würde, mein Gesicht in den Nachrichten zu sehen.
„Dir auch viel Spaß. Und falls du von einem grässlichen Mord im W hörst, hast du die Erlaubnis meiner verstümmelten Leiche ,ich habs ja gleich gesagt‘ vorzuwerfen.“
Nachdem wir aufgehängt hatten, machte ich mir in Gedanken eine Liste, was ich zwischen meinem Feierabend und der Zeit, zu der ich im Hotel erwartet wurde, noch zu tun hatte.
Ich bat Holli per SMS mir mein schwarzes Kleid mit dem tiefen V- Ausschnitt und den Kimonoärmeln zu bringen.
Dieses Kleid war so kurz, dass es kaum meinen Hintern bedeckte. Aber da es heute Abend nicht darum ging meinen Hintern zu bedecken, machte ich mir nicht zu viele Gedanken darum.
Um sechs Uhr klopfte ich an Neils Bürotür. „Ich bins, Sophie.“
„Kommen sie rein.“ rief er und ich war froh zu sehen, dass er alleine war.
„Brauchen sie mich noch für irgendetwas?“
Er lächelte, aber er sah müde aus und ich bekam das fürchterliche Gefühl, dass es für unseren Abend nicht allzu gut aussah.
Seine Hemdsärmel waren aufgerollt, seine Ellbogen lagen auf den Fotos, die über seinen Schreibtisch verteilt waren.
Er sah abgelenkt auf seine Uhr.
Ich befürchtete, dass er unser Treffen absagen würde, aber als er aufsah war da eine intensive Hitze in seinem Blick. „Nein, ich komme schon zurecht, falls sie etwas interessantes vor haben?“
„Das habe ich.“ Ich räusperte mich. „Und haben sie etwas interessantes vor?“
„Oh, ich denke, ich werde etwas finden, um mich zu amüsieren.“ Ein langsames Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Ich lächelte und drehte mich zur Tür. Dann hielt ich inne um hinzuzufügen: „Ich schätze wir sehen uns dann morgen früh.“
„Das hoffe ich doch sehr.“ Die Aussicht schien ihm endlich neue Energie zu verleihen, wenn er auch den Vorwand unseres verbalen Spiels fallen ließ.
„Geh schon vor, gegen acht sollte ich da sein.“
Ich stand da, mit der Zunge an meine Vorderzähne gepresst, während ich abwog noch etwas zu sagen. Aber ich entschied mich dagegen.
Also nahm ich die Kleiderhülle, die mir Holli gebracht hatte, zog meinen Mantel an und machte mich auf den Weg ins W.
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