„Deine Tochter?“ Ich musste ihn missverstanden haben. Ich war sicher. Denn wenn seine Tochter so alt war wie ich, hieß das... „Du warst verheiratet? Als du und ich...?“
„Nein, nein. Ich betrog keine Ehefrau oder so.“ sagte er schnell. „Ich war damals nicht verheiratet. Emma stammt aus einer früheren Beziehung. Meine Ehefrau und ich waren nur 2 Jahre verheiratet.“
Ich atmete erleichtert aus. Niemals würde ich eine andere Person so verletzen wollen. Auch wenn es von ihm viel beschissener gewesen wäre, hätte ich mich schuldig gefühlt wenn ich unwissentlich geholfen hätte einen solchen Betrug zu begehen.
Ich war erleichtert zu wissen, dass er zum Zeitpunkt unseres Stelldicheins ein freier Mann gewesen war.
Jetzt gab es nur dieses Problem dieser kleinen Bombe, die zwischen uns explodiert war.
Wir saßen für eine Weile still da und dachten unsere privaten, entsetzten Gedanken.
Neil hatte also eine Tochter. Eine junge Frau meines Alters. Oh Gott. Er hatte mir den Hintern versohlt. Das schien plötzlich eher unheimlich als sexy.
Ich stürzte den Rest meines Wassers hinunter und sah meinen Kaffee nachtragend an. Ich hätte Wein bestellen sollen. Oder harten Alkohol.
Es war klar, das sich keiner von uns mit diesen neuen Entwicklungen komfortabel fühlte. Ich machte mir nicht die Mühe meinen Vorschlag, bezüglich zwanglosem Sex, zurückzunehmen. Es schien eindeutig, dass dies so niemals funktionieren würde.
Wenigstens bekam ich eine Beförderung. Neil würde nach heute sicher versuchen mich wie die Plage zu meiden und daher würde es keine Unbehaglichkeit zwischen uns geben.
Ich suchte nach einem natürlichen Weg aus dieser Unterhaltung und entschied mich für: „Also, hast du noch weitere Kinder?“
„Nein, ich hatte immer weitere Kinder geplant, aber das Timing schien nie zu passen. Und jetzt, mit einer erwachsenen Tochter denke ich, dass es zu spät ist.“ Er lehnte sich im Stuhl zurück. „Das ist ein ganz schönes Durcheinander in das wir uns da hineinmanövriert haben, nicht wahr?“
Ich zuckte mit der Schulter.
„Ich hoffe, du erwägst die angebotene Stelle trotz alle dem?“ setzte er nach. Ich hatte keinen Grund an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Was würde es ihm schon nützen, mich weiter beim Magazin zu beschäftigen, wenn er mich dort nicht wollte.
„Das werde ich.“ Es war eine große Chance, auch wenn ich niemals gedacht hätte, dass ich in der Beauty Abteilung arbeiten würde. Ich hatte mich stets auf Mode konzentriert.
Trotzdem war es besser als einen neuen Job zu suchen und er hatte recht, es wäre seltsam, als seine Assistentin zu arbeiten.
Wir machten Smalltalk, während wir auf das Essen warteten. Ich hätte gedacht, nachdem wir offen über unsere Vergangenheit gesprochen hatten, würde dieses Mittagessen sich langwierig und schwierig anfühlen. Immerhin konnte ich nicht einfach schreiend wegrennen, wenn ich meinen Job behalten wollte. Nachdem unser für fünf Minuten wiederbelebter One Night Stand einen schmerzhaft peinlichen Tod gestorben war, war es fast zu viel verlangt, hier mit Neil zu sitzen und zu essen.
Zu meiner Überraschung entspannte und amüsierte ich mich, als er mir von seinem Interesse am Magazin und einigen kleinen Änderungen, die er vornehmen wollte, erzählte. Er stellte Fragen über die Universität und warum ich mich auf Mode konzentriert hatte und die Stunde die wir mit Reden und Essen verbrachten schien fast zu schnell vorbei zu sein.
Neil nahm die Rechnung. „Weil ich dein Chef bin.“ erläuterte er nachdem er seine schwarze Kreditkarte der Kellnerin übergeben hatte. „Nicht weil wir miteinander geschlafen haben.“
Ich lachte. „Wenn du also mein Chef bist, wirst du aufhören müssen, das immer wieder zu erwähnen.“
„Ich habe daran gedacht, glaub mir.“ Er lächelte und nahm einen letzten Schluck von seinem Kaffee. „Und fortan werden wir das deshalb nicht mehr erwähnen.“
Der Wagen wartete schon auf uns als wir das Restaurant verließen. Als der Wagen losfuhr, fragte ich: „Also dieser Job in der Beauty Redaktion. Falls ich mich entscheide ihn anzunehmen, ab wann wäre das?“
Er überlegte eine Moment. „Ich brauche dich, um deinen Ersatz anzulernen, aber ich sehe keinen Grund, warum du nicht für die Februar Ausgabe beginnen solltest.
Ich grübelte darüber nach. Porteras arbeitete mit einem 10 Wochen Plan. Die Februar Ausgabe würde am ersten Montag im Januar in den Läden stehen. Das bedeutete, dass das Zusammenstellen der Inhalte in einer Woche beginnen würde.
„Nimm dir soviel Zeit wie du brauchst um dich zu entscheiden.“ sagte er, als ob er meine Gedanken lesen könnte. „Das war nur eine Schätzung.“
Für ein paar Blocks schwiegen wir. Dann sagte er entschuldigend: „Es tut mir leid und ich schwöre, es ist das letzte Mal das ich es erwähne. Aber ich muss es wissen. Hast du jemals in den sechs Jahren versucht mich zu kontaktieren? Ich gebe zu, ich habe nicht versucht dich zu finden. Ich wusste nicht, wie du reagieren würdest. Jedes Mal wenn ich darüber nachdachte, dich irgendwie zu finden, wurde mir klar dass ich nicht wusste, wo ich beginnen sollte. Ich möchte mir nicht selbst schmeicheln, aber ich bin ein leicht zu findender Mann. Gerade in deinem Business solltest du gewusst haben wer ich bin.“
Das war eines der Dinge, das mir immer noch nicht in den Kopf wollte. So verwirrend das ganze Drumherum auch war, mir fiel keine einziger Grund ein, warum ich nicht die Verbindung zwischen Leif vom Flughafen und Neil dem Verleger Magnaten gesehen hatte.
Ich dachte laut nach: „Ich schätze, als du noch frisch in meiner Erinnerung warst, habe ich dem Who- is- who des Business keine Beachtung geschenkt. Ich versuchte einfach nur lebend durchs College zu kommen. Und dann, als ich endlich arbeitete...“
Sein Foto hatte ich unzählige Male gesehen, sowie Videos von Interviews. Doch da ich nicht für eine Elwood and Stern Firma gearbeitet hatte, hatte ich mir nicht die Mühe gemacht mit deren Geschäften vertraut zu sein. Ich war so auf Porteras und die Arbeitsroutine fokussiert gewesen und dort einen Platz für mich zu schaffen, das ich weder die Zeit noch die Neigung gehabt hatte an unseren eigenen Mauern vorbeizusehen.
„Mit fiel auf, das du Leif bemerkenswert ähnlich sahst. Aber da ist etwas anders, zwischen dir selbst und auf Bildern.“ Ohne nachzudenken sinnierte ich vor mich hin: „Vielleicht siehst du aber auch nur anders aus wenn du mich ansiehst.“
Wisst ihr, was Maybachs wirklich brauchen? Schleudersitze. Auch wenn die einzige Fluchtoption bedeutet, das man in den fließenden Verkehr geschleudert wird.
Wir hielten am Bordstein vor unserem Gebäude und meine Hand griff sofort nach dem Türgriff. Neil winkte mich voraus. „Ich muss noch woanders hin, ich komme jetzt nicht mit rauf.“
Ich kann nicht sagen, dass ich nicht dankbar gewesen wäre, als ich die Wagentür schloss und ohne ihn hineinging.
Der Gedanke, dass er mir nachsah verlangsamte meine Schritte und zwang mich, nicht zurück zu blicken, auch nicht als ich den Eingangsbereich betrat.
Ich fuhr in einem Zustand der Benommenheit mit dem Aufzug nach oben. Eines der größten Mysterien meines Lebens war nun also abgeschlossen. Ich hatte den sexy Fremden wiedergefunden und die Dinge würden nicht so laufen, wie ich es mir manchmal vorgestellt hatte.
Enttäuscht war ich schon, aber auf eine losgelöste Art... als ob mir die neue Handlung meiner Lieblingssoap nicht gefiel.
Dieser Vorfall würde die Welt nicht zusammenbrechen lassen. Es fühlte sich nicht mal besonders tränenwürdig an.
Ich saß für etwa zwei Minuten wieder an meinem Schreibtisch, als Rudy stirnrunzelnd hereinkam.
„Wo ist Neil?“ fragte er und linste an mir vorbei zur offenen Tür von Neils Büro.
„Auf dem Rückweg vom Mittagessen sagte er, er müsse noch woanders hin.“ Ich suchte seinen Tagesplan raus und checkte die Uhrzeit. Es war 14.35 Uhr. Ein Meeting für die Pläne fürs Cover war für 14.20 Uhr angesetzt.
Rudy stand neben mir und blickte über meine Schulter. „Was ist denn nur los mit ihm?“ murmelte er vor sich hin. Zu mir sagte er: „Wenn er Gabriella wäre, was würde dann passieren?“
„Jemand würde in Flammen stehend aus dem Fenster springen.“ schnauzte ich, bevor ich mich zurückhalten konnte.
Rudy stellte sich wieder aufrecht hin. „Naja, diese Person werde nicht ich sein. Könnten sie Neil Bescheid geben, das ich mich um das Meeting gekümmert habe und ihn auf den neuesten Stand bringe, wenn ich von Betsy Johnson zurück bin?“
„Natürlich.“ ich öffnete meinen Firmen Mailaccount und tippte die Nachricht ein.
Rudy war schon fast aus der Tür, als er sich umdrehte und sagte: „Ich mochte die Art wie sie gestern ihre Augen geschminkt hatten.“
Bevor ich eine Chance hatte, mich zu bedanken war er auch schon weg. Ich kicherte vor mich hin. Leute wie Rudy mag ich eigentlich, denn ich sehe dieses ganze ,ich weiß nicht wo ich mit ihm stehe‘ Ding als Herausforderung.
Den Rest des Tages kreuzten sich die Arbeitswege von mir und Neil nur selten und dafür war ich dankbar.
Der Schock meiner fast poetischen Beichte im Wagen war noch nicht ganz abgeklungen. Da er seine ungeplante Abwesenheit nicht erklärte, dachte ich mir das es nur eine Ausrede gewesen war. Er war sicher ein paar Runden um den Block gefahren, um sich die Peinlichkeit einer gemeinsamen Aufzugfahrt zu sparen.
Unglücklicherweise warf das alle Pläne für den Nachmittag um und er erwähnte kleinlaut, das wir wahrscheinlich länger arbeiten würden als bis zu meinem normalen sechs Uhr Feierabend.
Als der Tag langsam in Abend überging, blieb ich ruhig und bei der Sache durch das Versprechen eines weiteren heissen Bades - minus der sexuellen Fantasien über meinen Chef - und wartete geduldig, das er mir sagte, ich könne heimgehen.
Gegen sieben kam er mit Rudy und Hope Foley, unserer Chefstylistin, aus seinem Büro.
„Es tut mir leid, sie solange aufgehalten zu haben, Sophie.“ entschuldigte sich Neil „Wir gehen jetzt zum Abendessen. Sind sie verfügbar, falls wir sie brauchen?“
„Natürlich.“ Der Wunsch nach Hause zu gehen und Holli alles zu erzählen, was während des Mittagessens geschehen war, war übermächtig. Aber es sah so aus, als ob ich hier eine lange Nacht mit dem Spielen von Bubble Spinner verbringen würde, während ich darauf wartete das mein Boss vom Abendessen zurück ins Büro kam.
„Sie brauchen nicht hier zu warten.“ fügte er schnell hinzu. „Ich hoffe, sie dachten nicht, dass ich das von ihnen erwarte...“
„Gabriella hätte sie an ihren Schreibtisch gekettet.“ lachte Hope. Sie hatte oft mit Gabriella im Clinch gelegen und war meistens die einzige Person gewesen, die sich traute auf ihre eigene Meinung zu bestehen.
Oft fand ich Gabriellas ruhige Reaktion auf Hopes leidenschaftlichen Argumente unheimlich unterhaltsam.
Rudy lachte mit ihr, Neil auch, aber ich sah eine leichte Röte seinen Nacken hochkriechen.
„Ja also, das werde ich natürlich nicht von ihnen verlangen.“ murmelte er.
Hope und Rudy schienen sein Unbehagen nicht zu bemerken, aber ich natürlich schon.
Ich fragte mich, ob vor seinem geistigen Augen die selben Bilder aufstiegen wie vor meinem, betreffend Ketten und Schreibtische.
Ich zwang mich, Augenkontakt zu halten und sprach ausgeglichen. „Dann wünsche ich ihnen eine gute Nacht.“
Dann waren sie, Gott sei Dank, aus der Tür. Ich wartete bis sie in den Aufzug gestiegen waren, dann sprang ich auf und schnappte mir meinen Mantel.
Als ich zuhause ankam, wollte ich sofort von meinem Tag erzählen, aber Holli war in einem schlechten Zustand. Sie war aus gutem Grund wütend.
„Sieh dir das an!“ wütete sie und hielt mir ihr iPad vor die Nase. „Kannst du das verdammt nochmal glauben?“
„Ohhh, nein.“ Ich ließ meine Tasche fallen und schlüpfte aus dem Mantel während ich die Magazinseite auf dem Display in Augenschein nahm. Ein wunderschönes Foto von Holli - ihre langen Beine stiegen wie griechische Säulen aus einem Paar Yves St. Laurent Stiefeln auf, ihre Hüftknochen ragten über den Rand eines schwarzen Spitzenslips, die dünnen Arme verdeckten ihren nicht vorhandenen Busen. Das ganze war überlagert mit dem Satz: ,Wie dünn ist zu dünn?‘
„Dieses Fotoshooting ist vom letzten Jahr. Da hatte ich gerade dieses Magendarm Ding!
Natürlich sehe ich da abgemagert aus. Das ist vollkommen unfaire Kritik!“ Als meine Hände frei waren, reichte sie mir das iPad und stolzierte in die Küche.
Ich überflog den Artikel, aber es war dieselbe Unwissen wie immer. Models sind zu dünn. Alle standen am Rande des Todes dank einer Essstörung. Welche Beispiel würde sie abgeben, blah blah blah. Holli war noch nicht so berühmt dass Comedians Witze über sie rissen, aber ich fürchtete das es nicht mehr lange dauern würde.
Da Holli und ich schon solange befreundet waren, wusste ich durch Versuche und Fehlschläge, was man in einer solchen Situation lieber nicht sagen sollte.
Versuche, das alles im positiven Licht zu sehen - die Vorteile für die Karriere und der Neid anderer Frauen - waren nicht willkommen.
Vorzuschlagen, dass sie vielleicht eine tiefverwurzelte Essstörung hatte, von der sie vielleicht nichts wusste? Das war eine noch schlechtere Idee.
Meine Eifersucht auszudrücken, dass sie Burger von der Größe ihre Kopfes essen konnte und trotzdem abnahm? Das war das Allerschlimmste.
Das beste und wirklich einzig passende in dieser Situation war das, was ich als nächstes sagte: „Das ist beschissen!“
Und das war es auch, absolut und komplett beschissen. Es gab für niemanden einen Grund, Hollis Gesundheit nur aufgrund ihrer äußeren Erscheinung zu beurteilen. Die hatten keine Ahnung, ob sie magersüchtig war oder nicht. Die waren nicht ihre verdammten Ärzte.
„Wenn die Industrie als Ganzes betrachtet wird, ist das ok.“ Holli musste ihre Stimme anheben um über das Geräusch, dass das Befüllen des Teekessels machte, zu übertönen.
„Aber nicht, mich gezielt hervorzuheben. Denn weisst du, was das meinen zukünftigen Arbeitgebern sagt? ,Beschäftige dieses Model nicht, sonst werden sich alle aufregen.‘ Wenn die mich jetzt schon für zu dünn halten, warte mal was sie sagen, wenn ich zwischen Nahrung und Miete entscheiden muss.“
Ich sah mir den Artikel noch einmal an. „Wenigstens nennen sie nicht deinen Namen.“
„Was eine Erleichterung wäre, wäre mein Gesicht nicht auf dem Titelbild.“ Sie rollte mit den Augen. „Tut mir leid, ich bin nur vollkommen frustriert.“
Ich ließ das iPad aufs Sofa fallen und stellte mich neben sie. Einen Arm legte ich um ihre Schultern und drückte leicht. „Fühlst du dich schlecht?“
„Ja, tue ich.“ schniefte Holli in bedauernswerter Übertreibung.
„Willst du high werden und Norbit kucken?“ fragte ich, zog sie in eine Umarmung und tätschelte ihren Rücken, als ob ich ein Baby zum Bäuerchen- machen bringen wollte.
„Ja, will ich.“ ahmte sie ein Schluchzen an meiner Schulter nach.
Die Fähigkeit unsere Probleme herunterzuspielen und gleichzeitig unsere verletzten Gefühle zu beruhigen war einer der Aspekte die ich an unserer Freundschaft am meisten schätzte.
Wir pflanzten uns auch die Couch mit Tee und Popcorn - sie wären überrascht wie gut diese beiden Dinge zusammenpassen - und ich startete die DVD. Meine Neuigkeiten Neil betreffend konnten warten.
Der Film lief fast 20 Minuten, bevor Holli die Augen aufriss und rief: „Oh mein Gott! ich habe dich überhaupt nicht gefragt, wie es heute mit dem neuen Kerl lief!“
Ich zuckte mit dem Schultern. „Gibt nichts zu erzählen. Deshalb hab ich es nicht erwähnt.“
„Soph, denkst du wirklich du tust mir einen Gefallen, wenn du mir nicht alle Details erzählst? Ich leide hier, deine Aufgabe als meine Freundin ist es, mich aufzumuntern. Indem du mir Grund zur Schadenfreude gibst.“
„So schlimm war es nicht.“ Ich konnte kaum glauben, wie leicht es war das zuzugeben, aber es war die Wahrheit. „Ich dachte wir würden... Ich weiß nicht. ,wieder zusammen kommen‘ ist der falsche Ausdruck, weil wir ja nie ein Paar waren. Aber wir sprachen über die Möglichkeit eine beiläufige Sache anzufangen.“
„Tu das!“ Holli schlug mir leicht auf die Schulter.
„Ich denke, wir haben beschlossen es sein zu lassen.“ versuchte ich ihr sanft beizubringen, aber ich konnte ihr die Enttäuschung ansehen. „Er hat eine Tochter meines Alters.“
„Also war er damals verheiratet?“ Ihr Gesicht verzog sich in Abscheu.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Er sagte seine Tochter sei aus einer früheren Beziehung. Er ist erst seit zwei Jahren verheiratet und, zieh dir das rein, er lässt sich gerade scheiden.“
„Dann solltest du das doch tun!“ Sie seufzte. „Wirst du aus diesem Grund nicht...“ Holli schob ihren Zeigefinger durch einen Kreis, den sie mit ihrer anderen Hand formte.
Ich zog eines der Sofakissen hinter mir hervor und haute ihr damit eine rein.
„Denkst du, du würdest dich damit wohlfühlen? Mit jemandem Sex zu haben der jung genug ist, deine Tochter zu sein?“ rügte ich.
Holli lachte und nahm mir das Kissen weg, schüttelte es auf und stopfte es hinter sich. „Jünger. Wenn ich einmal über fünfzig bin werde ich niemanden daten der älter als 21 ist. Und alles wird auf mich zukommen.“
Nachdem der Film zu Ende war und ich mich in mein Zimmer zurückgezogen hatte, fielen mir Hollis Worte wieder ein. Vielleicht hatte sie Recht. Was war so schlimm daran jemand jüngeres zu daten? Mein Vater war jünger als meine Mutter gewesen. Naja, zwei Jahre jünger. Und ich suchte nach positiven Beispielen, nicht nach Paare deren Beziehung in spektakulären Flammen zugrunde gegangen war. Dennoch sah ich keinen Grund über den Altersunterschied zwischen mir und Neil angeekelt zu sein.
Natürlich zählte nichts davon wirklich. Neil wollte nichts ernstes und ich auch nicht. Tatsächlich mied ich romantische Verwicklungen seit dem letzten Jahr am College. Es gab keinen solch fantastischen Orgasmus und keinen so süßen Überraschungsblumenstrauß die es wert wären, mein Leben und meine Identität zu riskieren.
Ausserdem hatte ich kaum noch Zeit für Holli, wie sollte ich in diese stressigen Tagesabläufe noch einen festen Freund unterbringen?
Seit einem Jahr hatte ich noch nicht mal meine Mutter gesehen. Mein Herz rutschte mir in die Hose bei dem Gedanken, was sie zu alle dem sagen würde. Sie hatte einmal gesagt, es wäre ihr lieber mich als Jungfrau zu sehen, selbst wenn ich verheiratet wäre und vierzehn Kinder hätte. Sie war die einzige die mir hätte helfen können, durch diese Situation mit Anmut und gesundem Menschenverstand zu navigieren. Aber auf keinen Fall konnte ich ihr erzählen, dass ich geplant hatte, ohne ihr Wissen um die halbe Welt zu fliegen. Und ach ja, ich hatte Sex mit einem Fremden gehabt. Sie dachte immer noch, ich wäre auf direktem Weg nach New York geflogen, nach einem kleinen bisschen Ärger mit einer verpassten Verbindung.
Oh Mann und was für eine verpasste Verbindung. Ich warf mich im Bett herum und drehte das Kissen auf die kühle Seite. War Schlaf heute Abend überhaupt eine Option?
Aus Gewohnheit lag mein iPhone in Reichweite auf dem Nachttisch. Als Gabriellas Assistentin hatte es nicht im Bereich des Unmöglichen gelegen, mitten in der Nacht von einem Anruf geweckt zu werden. Einem Krisenanruf wegen eines verpassten Fluges oder der plötzlichen Erkenntnis, das wir dasselbe Paar Schuhe ein zweites Mal im Magazin zeigten. Davon ausgehend, was ich schon erfahren hatte, war Neil ein vollkommen anderer Chef.
Oder zumindest dachte ich mir das in dem Moment bevor sich meine Augen schlossen... ungefähr zwei Sekunden bevor mein Handy vibrierte. Mein Nachttisch hallte das Summen nach wie ein Snaredrum und ich setzte mich automatisch auf, gut trainiert durch zwei Jahre Dienstbarkeit.
Der Anruf kam von Neils Arbeitsnummer. Ich sah auf die Uhr. 22.45 Uhr? Warum war er um diese Uhrzeit noch bei der Arbeit, wenn alle anderen zuhause waren?
„Hallo?“ ich versuchte ein Gähnen zu unterdrücken als ich den Anruf annahm.
„Hallo Sophie.“ Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.“ Es störte mich wie sehr seine Stimme auf mich wirkte. Sie wirkte wie Whiskey, tief und behaglich, wärmte meine Glieder und verwirrte mir die Sinne.
Ich war so berauscht davon, dass es einen Moment dauerte, bis ich stammeln konnte: „N- nein. Ich, ähm, war wach.“
„Gut.“ Ich hörte ein Geräusch durch die Leitung, ein unterbrochenes Einatmen, als hätte er mitten in seinem Gedanken zu atmen aufgehört. Dann sagte er leise: „Das hier wäre sehr viel einfacher, wenn wir uns gegenüberstehen könnten.“
„Oh.“ Ich sah auf meinem Schoß hinab. Mein Gesicht war vom Makeup befreit, meine Haare steckten in einem unordentlichen Knoten und ich trug meinen Pyjama mit aufgedruckten Cartoontassen.
Wenn Gabriella mich gebraucht hätte, hätte sie mir nicht mehr als ,Kommen sie her, ich brauche sie.‘ an den Kopf geworfen. Wenn ich ihren Aufenthaltsort von ihr erfuhr, konnte ich mich schon glücklich schätzen. Denn sie erwartete, dass ich genau über ihre Termine Bescheid wusste, sowohl die geschäftlichen wie auch die privaten.
Wenigstens wusste ich, von wo aus Neil anrief.
„Also es wird eine Minute dauern, bis ich da bin -“
„Nein, nein. Es geht nicht um die Arbeit.“ sagte er schnell und dann folgte ein Schweigen bei dem ich schwor, ich konnte unsere beiden Herzen wie große, nervöse Schmetterlingsflügel schlagen hören. „Wärst du sehr sauer wenn ich... bei dir vorbeikäme?“
Wenn jemals jemand eine Montage wie in einem Film gebraucht hatte, dann war ich das in diesem Augenblick. Ich könnte aus dem Bett springen, mich in lustiger Raserei anziehen und wenn ich die Tür öffnete, aussehen wie Barbie. ,Oh dieses alte Ding?‘ würde ich sagen und in meinem 1960er Givenchy inspirierten Kleid eine Drehung vollführen. ,das habe ich nur schnell übergeworfen.‘
Er könnte es ihn circa zwanzig Minuten zu meiner Wohnung schaffen. Ich würde gerade mal Zeit haben, meine Zähne zu putzen und das schmutzige Geschirr und die leeren Getränkedosen vom Wohnzimmertisch zu räumen.
„Sicher, das ist ok.“ sagte ich, unnatürlich lebhaft. Ich war sicher, er konnte mein aufgesetztes Lächeln übers Telefon hören.
„Ich bräuchte deine Adresse, für den Fahrer.“ sagte er entschuldigend.
„Du kannst mich nicht durch die Firmendatenbank stalken?“ neckte ich ihn.
Der Witz kam nicht an und er wurde plötzlich ernst. „Das würde ich lieber nicht tun. Das ist nicht die Art wie ich meine Geschäfte oder mein Privatleben führe.“
Ich plapperte unsere Adresse raus, schon auf den Beinen und auf dem Weg zum Kleiderschrank. „Fahrt nur nicht zu schnell. Ich muss hier noch aufräumen.“
„Das ist kein Staatsbesuch.“ versicherte er mir. „Bis gleich.“
Ich legte auf und hielt das Telefon für wenige Sekunden an meine Brust gedrückt, bevor ich es auf mein Bett warf und meine Klamotten durchwühlte.
Nichts besonderes, nur einen Kashmir Sweater mit V- Ausschnitt und eine bequeme Jeans. Dann rannte ich ins Bad und stellte einen neuen Geschwindigkeitsrekord fürs Zähneputzen auf.
Ich räumte gerade Hollis ,Entspannungsutensilien‘ aus dem Wohnzimmer - er war ja schließlich mein Chef - als es an der Tür klingelte.
„Ja?“ fragte ich über die Gegensprechanlage.
„Ich bins, Neil.“
Ich betätigte den Summer und öffnete die Wohnungstür einen Spalt breit. Wir wohnen im vierten Stock, ohne Aufzug, und die Treppe führt in einem in der Mitte gelegenen Schacht nach unten bis zum Eingangsbereich.
Das Klicken der Treppenhaustür hallte bis nach oben und mein Mund wurde trocken.
Ich hörte Schritte.
Ich hörte seine Schritte, die in Richtung meiner Wohnung kamen.
Warum machte mich das so überspannt. Ich legte meine Hand auf die nackte Haut über meinem Ausschnitt und fühlte dort das Flattern meines Pulses.
Ich presste meine Oberschenkel aneinander und ließ es in dem Moment, in dem mir auffiel was ich da tat, sein.
Was zur Hölle lief falsch bei mir? Ich hatte keine Ahnung, warum er her kam. Soweit ich wusste kam er um mir zu sagen, dass er es zwar wirklich schlecht fand mich zu feuern, aber genau das tun müsste, da er sich in meiner Gegenwart gruselte.
Dann öffnete ich die Tür, er stand da und alle meine Zweifel verflogen. Er war gekommen, weil er mich genauso sehr wollte, wie ich ihn. Ich konnte es in seinen Augen sehen als sich unsere Blicke trafen.
Er war leicht ausser Atem und machte einen Witz darüber, dass wohl kein höher gelegenes Appartment frei gewesen war, als wir einzogen. Durch das laute Rauschen meines Blutes in meinem Hirn, konnte ich nichts davon verarbeiten.
Neil war hier, stand auf meiner Türschwelle, sah entschuldigend aus und wartete dass ich etwas sagte. Aber mein Wortschatz hatte mich völlig verlassen.
„Äh, komm rein.“ Ich trat zurück und schloss die Tür hinter ihm.
„Es tut mir leid, dass ich so spät vorbeikomme. Aber ich wusste dass ich keinen Schlaf finden würde, bevor ich mit dir geredet habe.“
Also würden wir wohl direkt zum Punkt kommen. Ich hatte erwartet das wir zuerst etwas unbehaglichen Smalltalk machen würden und ich in dieser Zeit versuchen könnte abzuschätzen, was er zu sagen hatte. Jetzt wusste ich nicht was ich tun sollte oder wohin mit meinen Händen, also zog ich meine Finger in meine Ärmel zurück.
„Beim Mittagessen habe ich dir eventuell den Eindruck vermittelt -“
„Dass wir nie im Leben eine Chance hätten, das irgendetwas zwischen uns läuft?“ half ich ihm aus. Ich dachte, es würde ihn zum Lachen bringen. Tat es nicht.
„Ich muss zugeben, dass mir der Altersunterschied zwischen uns etwas Sorgen macht. Machte es schon damals. Ich bin nicht der Typ Mann, der eine jüngere Frau braucht um glücklich zu sein. Das ist kein Statussymbol für mich. Und ich bin auch nicht wirklich der Typ der am Flughafen Fremde aufreißt.“
„Das bin ich auch nicht.“ erwiderte ich etwas defensiv.
Er machte ein langes Gesicht und kam einen langsamen Schritt auf mich zu. „Es ist mir egal, ob du dieser Typ Mensch bist. Was ich zu sagen versuche ist, dass das alles absolutes Neuland für mich ist. Ich verbrachte damals diese Nacht mit dir weil ich dich wirklich mochte, Sophie. Du warst so süß und direkt und ein wenig seltsam. Und wir hatten eine unglaublich tolle Nacht zusammen.“ Er lächelte zögernd. „Es macht mir Sorgen, dass du im selben Alter wie meine Tochter bist. Aber du bist nicht meine Tochter. Und diese Nacht war... eine der besten meines Lebens.“
Ich wollte ihm etwas markiges antworten, aber er schloss den kleinen Abstand zwischen uns und zog mich in seine Arme. Meine Füße verhedderten sich mit seinen, aber irgendwie hielt er uns auf den Beinen. Unsere Blicken hielten einander für den Bruchteil einer Sekunde und mein Mund öffnete sich mit einem überraschten Keuchen, gerade als seine Lippen auf meine trafen.
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