Donnerstag, 13. Juni 2013

KAPITEL 11


Ich bekam vor Donnerstag keine Chance mit Jake zu reden. Er war damit überfordert gewesen alle opulenten Fotos, die seine Versailles Story begleiten sollten, in die Januar Ausgabe zu bekommen. 

Am Donnerstag Morgen sollten Neil und Rudy ihre Entscheidungen dazu getroffen haben, also dachte ich mir, dass es so oder so Zeit war, Jake von Rudys seltsamen Verhalten zu erzählen.
Ich fand Jake über Hochglanz Fotos gebeugt im Konferenzraum, das fluoreszierende Licht wurde von der Oberfläche der Fotos reflektiert. Ich wusste nicht, ob er nachdachte oder trauerte.
„Hey du.“ Ich war nicht gut darin, Leuten Dinge zu sagen, die sie nicht hören wollten. „Wie lief es?“
„Ich habe vier Seiten verloren.“ Er sah mit einem humorlosen Lachen auf. „Rudy Ainsworth  hielt sie für überflüssig.“
Ich tat so, als ob ich über die vier vor ihm ausgebreiteten Seiten nachdachte. Er hatte Rudy erwähnt. Das war mir Stichwort genug. „Kommst du mit Rudy nicht klar?“
„Wer kommt überhaupt mit diesem Typen klar? Er hält sich selbst für so wichtig.“ Jake fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
Ich versuchte eine andere Herangehensweise. „Ich kanns kaum erwarten in die Beauty Redaktion zu wechseln. Er geht da fast nie rein. Vielleicht wäre das was für dich?“
„Was, in der Beauty Abteilung arbeiten?“ Er schnaubte verächtlich. „Ich denke, Lipgloss und Lidschatten sind schon etwas unter meiner Würde.“
Wow ja, sag mir was du wirklich denkst, Arschloch. 
Ich begann mich zu fragen, warum ich ihm helfen wollte, seinen Job zu retten. „Oh, aber eine weibliche Pantomime in schwarzem Leder und einer gepuderten Perücke, das ist total wichtiger Journalismus.“
Was ich auch immer damit hatte sagen wollen, war nicht das kleinste bisschen zu ihm durchgedrungen.
Ich hatte meinen Satz kaum beendet, da verkündete er abrupt: „Neil Elwood wird diesen Ort verglühen lassen, wie einen sterbenden Stern.“ Er schnippte mit den Fingern. „Puff, einfach so, wird nichts mehr da sein.“
„Ich denke, Sterne brauchen sehr viel länger um auszubrennen, als ,Puff‘, Jake.“ Ich hatte ihn noch niemals so launisch erlebt, so absolut umsympathisch. Als Gabriella noch der Boss war, hätte er nie auch nur im Traum daran gedacht, sich so zu benehmen.
Ein guter Freund hätte ihm genau gesagt, warum die Fotos ausgelassen werden mussten. 
Sie waren sich wirklich zu ähnlich, auf jedem war irgendein Pelz Accessoire und sah nach einer modernen Sichtweise auf Russland aus, anstatt auf französischen Adel hinzuweisen.
Aber ich hatte das Gefühl, dass ihm das bereits gesagt worden war und er meine Kritik deshalb nicht als hilfreich erachten würde.
Stattdessen erzählte ich ihm: „Also, ich denke, ich halte besser die Füße still. Das quietschende Rädchen wird geölt und ich würde lieber Öl- Flecken vermeiden.“
Darüber lächelte er zurückhaltend. 
„Weisst du, ich sollte dir das nicht erzählen.“ Er hob ein Foto auf und ließ es wieder fallen. „Mach es dir nicht zu bequem. Da sind einige... Dinge am Laufen. Ich vertraue darauf, dass du das nicht weitergibst.“
Was nicht weitergeben? Wage Äußerungen, die nicht als grandiose Protzigkeit waren? 
Ich nickte feierlich. „Vollkommen verstanden.“
Dann machte ich, dass ich aus dem Konferenzraum kam.  
Jake hatte schon immer seine kleinen Kuriositäten gehabt, wie zum Beispiel seine beschämend leidenschaftlichen Gefühle bezüglich seiner eigenen Arbeit, aber das waren die Art von Sachen gewesen, die ich zum Wohle unserer Freundschaft übersehen konnte.
Jetzt, da Gabriella weg war, benahm er sich wie ein Kleinkind, das einen Wutanfall hatte.
Es war wie Dr Jakell und Mr Hyde.
Oh, wie ich mir wünschte, dass Holli hier wäre, um mir eine High Five für diesen Scherz zu geben.
Ich lief durch den Empfangsbereich und fühlte mich seltsam und kratzig.
Ich hatte erwartet, dass die Unterhaltung anders verlaufen würde. Ich hatte versucht, hilfreich zu sein und stattdessen wurde ich beleidigt.
Der neue Job, den ich morgen antreten würde, war offensichtlich unter Jakes Würde.
Ich war für ihn wohl nur eine kleine Witzfigur, mit der zu reden er sich herabließ.
War unsere ,Freundschaft‘ schon immer so gewesen?
Oder war der Grund, dass er plötzlich ein Problem mit mir hatte die Tatsache, dass ich von ,Assistentin‘ zur ,assistierenden Redakteurin‘ aufstieg?
Vielleicht hielt er mich nicht für eine Bedrohung, wenn er mich als die Tussi, die Kaffee besorgte und sich um die Trockenreinigung kümmerte, ansehen konnte.
Nun würde ich Inhalte für das Magazin bearbeiten.
Vielleicht konnte er nicht damit umgehen, jemanden zu unterstützen, ausser sie wären keine Konkurrenten.
Durch meine Enttäuschung abgelenkt, wäre ich fast durch die Rezeption gegangen, ohne Deja zu bemerken.
Sie saß auf einer langen, weissen Couch, mit einem Arm auf der Rückenlehne und lächelte... Holli strahlend an?
„Hey.“ begrüßte ich sie und versuchte meine Überraschung zu verbergen. 
Holli war nie an meinem Arbeitsplatz aufgetaucht - Gabriella hatte persönliche Besuche ausdrücklich verboten und Holli hatte sich immer strikt an diese Regel gehalten.
Bei den seltenen, arbeitsbedingten Besuchen hatte sie nie hallo gesagt.
„Hey! Ich war in der Nachbarschaft und dachte, es wäre in Ordnung vorbeizukommen und dich zum Mittagessen einzuladen. Also in Ordnung, im Gegensatz zu vorher.“
Holli steckte ihre Hände in die hinteren Taschen ihrer Jeans und wippte auf ihren Fußballen, ihre Unterlippe zwischen ihren Zähnen. „Und dann bin ich in Deja reingelaufen.“
Ah und ha. Ich versteckte meine Lächeln, so gut ich konnte.
„Kennt ihr beiden euch?“ Für eine Stadt mit acht Millionen Einwohnern, konnte New York eine erstaunlich kleine Stadt sein.
Deja stand auf, kicherte verlegen und sah zu Holli, nach Erlaubnis oder Bestätigung fragend. Ich hatte das Gefühl, dass es sich hier um eine Verschwörung handelte. „Holli hat vor einigen Jahren bei einem Event von RM gearbeitet.“
„Ich war eine menschliche Sushi Platte.“ Holli strahlte vor Stolz. „Es war einer meiner ersten Model Jobs und ich traf Aerosmith.“
Ich lachte mit ihnen, so wie man als fünftes Rad am Wagen lacht.
Es war nicht so, als ob sie mich absichtlich von ihrem Insider Witz ausschlossen; offensichtlich waren da gewisse Schwingungen zwischen ihnen.
Ich zuckte mit den Achseln und lächelte. „ Wie kann man ein Sushi Girl vergessen, richtig?“
„Willst du zum Lunch gehen? Ich kann die Dinge hier im Auge behalten.“ bot Deja an.
„Super, danke.“ Das würde mir Gelegenheit geben, Holli über die Sushi Sache auszufragen.
Ich würde mir niemals die Gelegenheit entgehen lassen, zu hören, wie Rockstars Sushi vom nackten Körper meiner besten Freundin gegessen hatten.
„Also.“ sagte Deja mit großen Augen, ihr Lächeln auffällig neutral, als sie von mir zur Holli sah. „Ich seh dich irgendwann?“
„Nächten Freitag, richtig?“ Holli machte absichtlich kitschige Fingerpistolen in Dejas Richtung, die lachte und nickte.
„Sicher. Auf jeden Fall.“ stimmte sie zu, rückwärts in Richtung der Bürotüren zugehend.
Holli drehte sich zuerst um und ich folgte ihrem Beispiel, nicht zurückschauend, um zu sehen, ob Deja sie noch immer beobachtete.
Holli ist völlig offen über ihre Sexualität - von der ich mir nicht sicher bin, ob sie in eine Kategorie einzuordnen wäre.
Sie war mit Männern und Frauen zusammen gewesen und während der College Zeit hatte sie eine Weile eine Dreiecksbeziehung mit einem verheirateten Paar gehabt.
2010 hatte sie für sechs Monate eine unerwiderte Liebesaffäre mit der George Washington Brücke gehabt.
Sie ist da wirklich entzückend.
Ich weiss, wann immer ich mit ihr über Sex Sachen sprach, war es etwas, dass sie schon einmal getan hatte, oder zumindest eine Meinung dazu hatte.
Ich wusste nicht, ob Deja geoutet war und es war nicht meine Sache, andere zu outen. 
Also hielt ich die Unterhaltung auf dem Weg nach unten auf sicherem Territorium.
„Es ist cool, dass sie sich an dich erinnert hat.“ kommentierte ich, als sich die Fahrstuhltüren schloßen.
„Ja, sie ist echt nett.“ Holli drückte den Knopf fürs Erdgeschoß. „Ich hab sie zur Party eingeladen.“
„Das habe ich mitbekommen.“ Ich hob eine Augenbraue. „Was wurde aus ,niemanden von der Arbeit‘?“
„Ich dachte, diese eine Ausnahme wäre ok.“ Ihre Augen weiteten sich. „Warum, habe ich etwas falsch gemacht? Du hast doch nicht etwa Neil eingeladen?“
„Habe ich, aber nur um nett zu sein. Er wird nicht wirklich kommen.“ Ich fühlte mich ein bisschen schlecht, dass ich darüber erleichtert war. 
Ich wollte Neil so weit wie möglichen von meinem restlichen Leben getrennt halten.
Es war schon seltsam genug am selben Ort zu arbeiten, wie die Person mit der ich in die Kiste hüpfte.
Ich beschloss, beim ungezwungenen Zusammensein mit meinen Freunden die Grenze zu ziehen.
„Du fängst morgen mit deinem neuen Job an?“ fragte Holli, als wir aus dem Aufzug in die Lobby traten. „Warum an einem Freitag?“
„Weil ich Mr Elwood wahnsinnig mache.“ Ich grinste sie vorsorglich an. „Nicht auf die Art, die du denkst. Deja ist hier, um sich ,einzuarbeiten‘, aber sie braucht nicht wirklich Einarbeitung. Im Büro gibt es nicht mehr für mich zu tun, als sauber zu machen. Offensichtlich findet Neil meine Art sauber zu machen ,pathologisch‘ und ,obsessiv‘.“
„Du wirst so gut in deinem neuen Job sein.“ sagte Holli mit einem Stolz in der Stimme, die mich wie eine heisse Tasse Schokolade wärmte.
Ein Schauer der Vorfreude kitzelte mir über die Arme. „Ein richtiger  Redaktionsassistentinnen Job. Das wird eine riesige Veränderung.“
Gerde als wir die Türen erreichten, klingelte mein Telefon. Es war Neil. „Einen Moment, Holli. Da muss ich rangehen.“
Wir traten hinaus - denn unglaublicherweise war der Verkehr in Lower Manhattan leiser, als die Echo erzeugende Lobby des Gebäudes - und ich nahm den Anruf entgegen.
„Ja, Sir?“ Ich nahm an, dass er das kleine, schüchterne Grinsen in meiner Stimme hörte.
Aber als er antwortet, wurde mir klar, dass jetzt nicht der Zeitpunkt zum Flirten war. Er klang vollkommen überwältigt, seine Worte abgehackt.
„Ich wurde weggerufen. Ich werde noch in dieser Stunde gehen.“
„Brauchst du mich, soll ich zurückkommen?“ Ich hielt für Holli einen Finger hoch. Jakes kryptische Bemerkungen fielen mir wieder ein. 
War etwas mit dem Deal schief gegangen? War das an diesem Punkt überhaupt noch möglich?
Ich wusste absolut nichts darüber, wie oder warum die Geschäftsübernahme von Statten gegangen war.
„Nein, es hat nichts mit der Arbeit zu tun.“ Die Anspannung in seiner Stimme war deutlich zu hören. „Ich muss heim nach London. Meine Mutter wurde ins Krankenhaus eingeliefert, man denkt, sie hatte einen Schlaganfall.“
„Es tut mir so leid.“ Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es mir ginge, wenn meine Mutter einen Ozean entfernt im Krankenhaus läge. 
„Kann ich irgendetwas für dich tun?“
„Ab morgen bist du nicht mehr meine Assistentin, Sophie.“ erinnerte er mich. „Ich habe dich nicht wegen einem Gefallen angerufen. Ich wollte dir nur Bescheid geben, bevor ich gehe, damit du nicht denkst...“
„Damit ich nicht denke, du wärst wieder aus meinem Leben verschwunden?“ Unbehaglich musste ich zugeben, dass mir dieser Gedanke wohl gekommen wäre.
„Ja, genau.“ Er klang verlegen über meine schnelle Antwort.
Auch wenn wir die Dinge so locker wie möglich hielten, wenn er mich noch einmal so sitzen lassen würde, wie damals am LAX, würde ich mehr als nur sauer sein.
Ich würde emotional zerstampft sein.
Ich hoffte, wenn wir uns irgendwann wieder trennten, würde das mit gegenseitigem Respekt sein, aber noch konnte ich mir da nicht sicher sein.
Er räusperte sich. „Ich hatte dich fragen wollen, ob du morgen Abend mit mir ausgehst, um deine Beförderung zu feiern. Nun geht das leider nicht und ich befürchte, ich werde auch für unser gemeinsames Wochenende noch nicht zurück sein.“
„Das hier ist viel wichtiger, das ist doch klar. Mach dir wegen mir keine Sorgen.“ Ich zögerte, bevor ich hinzufügte: „Wenn du irgend etwas brauchst, ruf mich bitte an, ok?“
„Das werde ich. Danke.“ Der leidenschaftliche Ansatz von Gefühlen in diesen einfachen vier Worten tat mir in der Seele weh. „Ich rufe dich an, wenn ich zurück bin.“
Ich beendete den Anruf und fühlte mich seltsam leer bei dem Gedanken, ihn vor seiner Abreise nicht mehr zu sehen.
Dann fühlte ich mich scheisse und egoistisch. 
Er war offensichtlich im Krisenmodus und ich dachte nur an mich selbst.
„Ist alles in Ordnung?“ fragte Holli mich stirnrunzelnd.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Neil muss nach London fliegen.“
Die Worte ,nach Hause‘ ließ ich weg. Der Teil machte mir etwas aus und ich wollte es nicht zugeben.
„Seine Mutter hatte einen Schlaganfall.“
„Heilige Scheisse, seine Mutter lebt noch?“ Sie zog eine Grimasse, stellte sich offensichtlich den Gruftwächter oder ähnliches vor.
Ich ignorierte sie. „Er wird für eine Weile weg sein, schätze ich. Aber er wollte nicht, dass ich denke, das es auf Dauer sein würde, wie beim letzten Mal. Das ist doch gut, oder?“
„Ich schätze schon.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, das wäre sowieso egal. Du willst ja nur Sex.“
Ich öffnete schon den Mund, um zu protestieren, aber fand es fremdartig anstrengend. Ich stammelte ein bisschen. „Ich- Ja. Richtig, aber ich würde den Sex vermissen.“
Sie zog eine Augenbraue hoch.
„Was?“ verlangte ich zu wissen. Aber sie zuckte nur wieder mit den Schultern und lächelte. 
Ich schüttelte den Kopf und lief an ihr vorbei. „Ich dachte, wir wollten essen gehen?“
Sie lachte, als sie mir die Treppen hinunter folgte.

Es war absolut bizarr, am nächsten Tag zur Arbeit zu kommen, aber nicht zu meinem alten Schreibtisch zu gehen. Es fühlte sich noch seltsamer an, Neil nicht zu sehen.
Am Abend zuvor war ich nach Hause gekommen und hatte sofort meine Mutter angerufen, als ob schlechte Gesundheit bei Müttern ansteckend wäre.
Wir hatten uns über die Arbeit und Freunde unterhalten, aber ich war ihren schwatzhaften Fragen bezüglich meines Liebeslebens geschickt ausgewichen.
Sie würde meine Dom/sub Beziehung mit einem Mann ihres Alters nicht gut finden.
Danach lag ich die halbe Nacht wach, versuchte die Dauer eines Fluges nach London zu berechnen und fragte mich, wo Neil gerade war.
Er hatte das Büro verlassen, während ich zum Mittagessen weg war, aber ich hatte keine Ahnung wie lange die Sicherheitschecks gedauert hatten oder was immer er zu tun gehabt hatte.
Deja hatte erwähnt, dass er einen Privatjet genommen hatte, also nahm ich an, dass er nicht in der TSA Schlange gestanden hatte, mit ausgezogenen Schuhen und sich über seine Mutter Sorgen machend.
Ich war erstaunt, als ich das Büro betreten hatte und nicht alles zu einem quietschenden Stop gekommen war.
Im Gegenteil, als Rudy am Vortag Neils Meetings und Termine übernommen hatte, hatte es sich ein bisschen so angefühlt, als ob Gabriella wieder da wäre.
Damit beschäftigt, was alles los gewesen war in Hinsicht auf meinen neuen Job, war mir nicht aufgefallen, wie viel Angst alle vor Rudy hatten.
Als er mich auf dem Weg durch den Empfang aufgehalten hatte und „Viel Glück heute, Sophie.“ gesagt hatte, waren mir die Blicke aufgefallen, die ich damit erntete und ich trug meinen Kopf ein wenig höher, als ich die Hauptbüroräume betrat.
India Vaughn, Beauty Chefredakteurin, hatte zu mir aufgeschlossen, während wir gingen. „Sophie Scaife, ich denke, sie haben gerade das Gütesiegel bekommen.“
„Seien sie nicht zu eingeschüchtert.“ scherzte ich. „Er kann mich nicht besonders gut leiden.“
Sie schüttelte mir die Hand, was nicht wirklich leicht zu bewerkstelligen ist, wenn man nebeneinander her läuft.
Ich war beeindruckt, wie professionell mir das gelungen war.
Lassen sie mich ihnen von India erzählen.
Bevor Neil zu Porteras gekommen war, war sie die ,Büro Britin‘ gewesen.
Sie hat schwarzes Haar, helle Augen und sieht so aus, als könnte sie in einem Film die Präsidentengattin spielen.
Sie weiß mehr über Nagellack, als irgend ein anderes menschliches Wesen.
Ich war einmal zu einem ,Tag der offenen Tür‘ an Weihnachten in ihrer Wohnung gewesen und ich schwöre bei Gott, sie hatte einen ganzen begehbaren Kleiderschrank voll mit Beautyprodukten. Als hätte sie ein Stück von Ulta Cosmetics genommen und in ihr Haus eingefügt.
Sie hatte den Ruf einer anspruchsvollen Chefin und ich wollte sie wirklich beeindrucken.
„Seien sie nicht nervös.“ beruhigte sie mich, aber es machte mir nichts aus, nervös zu sein. Es half mir, auf der Höhe zu bleiben. „Gabriella hatte nichts als Gutes über sie zu berichten.“
„Wirklich?“ Mir drehte sich der Kopf. Gabriella hatte mit India über mich gesprochen? Bevor sie gegangen war und meinen Namen auf diese Liste gesetzt hatte? Bedeutete das...
„Hat Gabriella mich für den Job vorgeschlagen, bevor sie ging?“
„Ja, natürlich... Hat sie ihnen nichts davon gesagt?“ India blinzelte, als sie durch die Tür der Beauty Redaktion trat.
Der Raum war unglaublich, mit beleuchteten Schminktischen und Arbeitstischen, übersät mit UPS Kartons, die mit Kosmetikproben überquollen.
In einer Ecke standen eine Lightbox und eine Digitalkamera auf einem Stativ.
Eine junge Frau mit grünen Strähnen im schwarzen Haar, das in einen unordentliche Knoten frisiert war, stand über die Lightbox gebeugt und ließ glitzernden Nagellack auf ein Stück Glas rieseln.
„Jessica?“ rief India und die Frau richtete sich auf.
Sie trug die coolste rechteckige Brille, die ich je gesehen hatte und hatte wunderschöne braune Augen.
„Das ist Jessica Nguyen, unsere andere assistierende Redakteurin.“
„Oh ja!“ Ich erinnerte mich an sie, von ihrer kurzen Online- Makeup- Anleitungs- Serie, die sie für die Webseite des Magazins gemacht hatte.
Ich schüttelte ihre Hand. „Ich mochte das Frühlings- rosa letztes Jahr.“
Sie strahlte mich an. „Ich hätte nie gedacht, dass das durchgehen würde. Du weisst ja, Gabriella und blütenrosa.“
„Ich habe an dich geglaubt.“ lachte India. Dann wandte sie sich an mich. „Hör zu, ich weiss, dass die Arbeit für Gabriella eine extreme Herausforderung war. Aber du hast zwei Jahre durchgehalten, also weiss ich auch, dass du die Richtige für diesen Job bist.“
Irgendwo im Büro klingelte ein Telefon und India entschuldigte sich, um es beantworten zu gehen.
„Also, Lieblingslippenstift. Leg los.“ Jessicas Augen funkelten bei der bloßen Erwähnung von Lippenstift und mir wurde klar, dass ich gerade meinen absoluten Traumjob begonnen hatte.
Verrückt, ich hatte mich selbst immer wie Jake gesehen, ein großes Tamtam wegen Kleidern und Designern veranstaltend.
Als ich als Teenager durch Fashion Magazine geblättert hatte, waren die einzigen Dinge darin, die ich mir von meinem mickrigen Taschengeld leisten konnte, die Kosmetikprodukte gewesen.
Ich hatte wochenlang gespart, um mir Lidschatten von Clarins und getönte Feuchtigkeitscreme von Bobbi Brown kaufen zu können.
Also wusste ich Bescheid, wenn es um Kosmetikprodukte ging.
„Illamasqua ,Flare‘,“ Ich zählte an den Fingern auf. „YSL ,Rose Boheme‘ und natürlich ,Please me‘ von MAC. Habe ich bestanden?“
Jessica wollte gerade antworten, als India auflegte und geradewegs auf die Tür zuging.
„Was ist los?“ fragte Jessica und ihre Besorgnis machte mich auch etwas besorgt.
„Das war Rudy.“ India sagte seinen Namen mit großer Verachtung, zog die Silben in ihrem Arbeiterklasse Akzent auseinander, es klang wie Roo- dee. „Hört sich an, als ob ich gleich ausgeschimpft werde.“
„Ausgeschimpft?“ fragte ich, nachdem India gegangen war. „Was meint sie damit?“
„Nun, seit Elwood das Magazin übernommen hat, haben er und seine kleinen Handlanger all diese beschissenen Richtlinienveränderungen eingeführt.“ Jessica rollte bei Neils Namen mit den Augen.
„Hmpf.“ Ich gab vor, damit zu sympathisieren. „Diese Idioten, nicht wahr?“
„Du weisst, dass Rudy Ainsworth vier wirklich gute Bilder von dem Versailles Artikel ausgeschlossen hat?“ 
Jessica ließ ihren Unterkiefer dramatisch nach unten fallen. „Weil da Pelz auf den Bildern war. Sie versuchen, die Benutzung von Pelzen zu vermindern.“
„In Porteras?“ Nein, Dummkopf. In dem anderen Magazin für das du arbeitest. „Das haut doch niemals hin.“
Jessica nickte bestätigend. „Da sagst du was. Komm, lass mich dich herumführen.“
Ich muss zugeben, ich hörte dem meisten was Jessica mir erzählte, nur halb zu.
Das war so unklug an meinem ersten Tag im neuen Job, aber ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, welch kolossalen Fehler es darstellte, Pelze von den Magazinseiten von Porteras zu verbannen.
Ich bin nicht pro- Pelz. Tote Tiere stießen mich ab, aber anti- Pelz Designer waren dünn gesät.
Pelz war ein Schlachtfeld, auf dem Neil verlieren würde und ausserdem, wo würde er die Grenze ziehen? Zuerst Pelz, dann Leder?
Zumindest konnten wir noch pelzlose Kleidungsstücke von Designern zeigen, die Pelz benutzten, aber wo würde das enden?
Ohne die Unterstützung von Designern und Anzeigenkunde würde Porteras wirklich zugrunde gehen und das schnell.
Jessica zeigte mir, wie man eine gute Probeaufnahme von nassem Nagellack machte und beendete das Projekt, das meine Ankunft unterbrochen hatte - als India wieder kam, völlig niedergeschlagen.
„Wir müssen die Ausgabe noch mal neu beginnen.“ Sie ließ eine gedruckte, getackerte Liste auf den zentralen Arbeitstisch fallen.
„Februar?“ piepste Jessica panisch. „Wir haben gerade alle angeforderten Produktproben zusammen.“
„Januar.“ India ließ sich in ihren Stuhl fallen, den Kopf in ihre Hände gestützt. „Wir müssen die Januar Ausgabe neu beginnen.“
„Neu beginnen?“ Jessicas Ton deutete an, dass sie schon die Idee nicht fassen konnte. „Aber wir sind mindestens 8 Tage hinter dem Zeitplan.“ 
India sah auf, ihre perfekten schwarzen Brauen hoben sich. „Nun, dann schlage ich vor, dass wir unseren Zeitplan ändern.“
„Was ist den falsch an allem? Mr Elwood mochte beim Meeting doch die Druckfahnen -“
„Neil Elwood ist ein Pferdearsch.“ schnappte India und das war so unverblümt, dass ich mir ein entsetztes explosionsartiges Lachen nicht verkneifen konnte.
„Entschuldigung.“ murmelte ich und bedeckte schamvoll meinen Mund.
„Ist schon in Ordnung, Sophie. Es tut mir leid.“ India kniff sich in die Nasenwurzel, ihre dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen und ihre Augen schloßen sich fest. 
„Das ist eine neue Anordnung von oben; wir dürfen keine Produkte von Herstellern vorstellen, die ihre Produkte an Tieren testen oder Zutaten benutzen, die von Firmen hergestellt werden, die Tierversuche durchführen.“
Jessica machte ein abgewürgtes Geräusch. „A-Aber das heisst ja, kein Esteé Lauder, kein Bobbi Brown, Clinique, Fekkai...“
„Und nichts von Herstellern, die zu Procter & Gamble und anderen solchen Firmen gehören. Das heisst, dass dein Parfum Portrait gestorben ist.“ India schüttelte den Kopf. „Das wird uns auf Avon und Mary Kay beschränken. Nicht wirklich top modisch.“
„Avon und Mary Kay testen an Tieren.“ fügte ich nicht gerade hilfreich hinzu.
India zwang sich zu einem Lächeln, das nach ,wir sind gefickt‘ aussah. 
„Ich würde sagen, es wäre dann Zeit, ein paar nette Veganer anzurufen und zu sehen, was wir tun können.“
Der Tag war brutal.
Er übertraf noch den Tag, als ich bei GAP am schwarzen Freitag zu arbeiten begann, als schlimmsten Tag meines Lebens.
Den größten Teil des Morgens verbrachten wir mit Recherche.
Alle Produktproben die wir da hatten waren von Firmen die auf der schwarzen Liste standen.
India entschied, wir würden diesen Monat als Rückkehr zur natürlichen Schönheit präsentieren, in der Hoffnung, dass jemand im Management sehen würde, wie absurd das alles war.
Sehen sie, es war nicht so, dass es mir egal war, dass Häschen Lippenstift in die Augen geschmiert wurde., aber ich wollte auch nicht, dass mein Job die Toilette herunter gespült wurde.
Wenn es sich rumsprach, dass das Magazin komplett auf Grausamkeits- frei umstieg, würde wir eine Menge Einnahmen aus der Werbung verlieren.
Jessica und ich erledigten die meiste Laufarbeit, um Last Minute Produktproben zu besorgen und in Fachgeschäften zu kaufen, was wir nicht in Over- Night- Lieferung besorgen konnten.
Ich war erschöpft, meine Füße taten weh, meine Hände waren mit Lidschatten- Proben übersät, die die Namen ,Kale‘ oder ,Brigit`s Flame“ hatten, aber ich schätzte, es hätte schlimmer sein können.
Als ich gegen acht Uhr durch den Empfangsbereich stolperte, saß Deja noch immer an meinem früheren Schreibtisch. 
Sie sah auf und winkte mich herüber.
In mein altes Büro zu kommen, fühlte sich total komisch an und der bizarrste Anfall von Heimweh packte mich.
Deja hatte das iPad, das Neil mir geliehen hatte in der Hand und ich kotzte bei dem Anblick fast mein Herz aus.
Hatte sie reingesehen? Hatte sie das Bild gesehen?
„Mr Elwood wollte gestern sicher gehen, es dir zurückzugeben, aber in dem Chaos mit seinem Notfall, hat er es vergessen.“ Sie reichte es mir mit einem Lächeln, kein Anzeichen in ihrem Gesichtsausdruck.
Da fühlte ich mich schuldig und paranoid.
„Danke.“ sagte ich und gestikulierte in Richtung des Ausgangs. „Ich gehe jetzt nach Hause. Ich fühle mich wie erschlagen.“
„Ich habe von dem schlechten Timing gehört.“ Sie zog eine Grimasse, um ihre Sympathie über diesen Horror zu zeigen. „Geh dich erholen.“
Ich öffnete des iPad im Zug auf dem Heimweg. Ich hoffte auf eine Nachricht oder so, die mir über die Zeit helfen würde, bis ich ihn wiedersehen würde, obwohl ich selbst wusste, wie albern diese Hoffnung war.
Ich war mir sicher, mit mir zu flirten war keine große Priorität, wenn seine arme Mutter im Krankenhaus lag.
Trotzdem freute ich mich, als ich auf dem Bildschirm eine Textdokument mit dem Namen ,Für Sophie‘ fand. Ich öffnete es sofort.
Sophie,
es tut mir so leid, dass ich während deiner ersten Woche in der Beauty Redaktion nicht da sein kann. Sei versichert, ich schicke dir meine Unterstützung aus der Ferne. Da ich deine private E Mail Adresse nicht habe, hier ist meine. Ich würde es sehr schön finden, von dir zu hören. Ich stelle fest, dass ich dich schon jetzt vermisse.
PS: Deja denkt, dass dieses iPad dir gehört, also versuch nicht, es mir im Büro zurückzugeben.
Er hatte mit seinem Namen unterzeichnet und einer E Mail Adresse, die ich noch nie gesehen hatte.
Aber auf was ich mich konzentrierte, war der Teil mit dem ,mich vermissen‘. Er vermisste mich?
Diese Nachricht musste er noch im Büro geschrieben haben. Ich musste zugeben, dass mir das ein warmes, flauschiges Gefühl gab.
Als ich nach Hause kam, war Holli nicht da. Ich zog meinen Laptop von seinem üblichen Platz unter der Couch hervor und öffnete ihn.
Dann loggte ich mich bei Gmail ein, tippte seine Adresse ein und starrte das leere Nachrichtenfeld an.
Natürlich wollte ich ihm sagen, welch großer Fehler es war, dass Magazin auf Grausamkeits- freie Inhalte umzustellen. 
Ich wollte ihm von der Extraarbeit erzählen die das für uns verursachte und von all den Leute, die er damit verärgerte... Leute die er brauchte, um Porteras am Laufen zu halten.
Ich wollte ihn warnen, dass diese Veränderungen zu dramatisch und plötzlich kamen.
Aber mir war klar dass jetzt, wo er auf der anderen Seite des Atlantik war, um sich um die medizinische Krise seiner Mutter zu kümmern, nicht die richtige Zeit dafür war.
Ich bezweifelte auch meine Loyalität. Wollte ich ihm all das erzählen, weil ich seine Interessen im Auge hatte, oder die des Magazins?
Die Tatsache, dass ich es nicht wusste - und ohne zu wissen, ob das etwas war, was ihn leidenschaftlich interessierte - war etwas zu verwirrend für mich.
Und zu alle dem wusste ich auch nicht, ob unsere Beziehung sich nur um sexy Spasszeit drehte und wie viel davon Freundschaft war.
War er die Art von Freund, mit dem ich ehrlich sein konnte oder waren wir noch in der ,sei nett und stell sicher, dass du das nicht versaust‘- Phase?
Er war nicht der einzige der Probleme damit hatte, die Person die man sechs Jahre im Kopf gehabt hatte von der tatsächlichen Person - in dieser neuen Beziehung - zu trennen.
Da ich dieses Thema also nicht in einer E Mail erwähnen würde, versuchte ich den hektischen Tag zu vergessen und mich stattdessen auf das zu konzentrieren, was ich ihm wirklich sagen wollte.
Ich schrieb:
Neil,
ich hoffe, es ist alles in Ordnung. Vermiss mich nicht. Ich werde da sein, wenn du zurück kommst.
Wenn du magst, ruf mich an. Wenn nicht, ist auch ok.
Ich zögerte, meine Finger klopften auf der Tastatur, ohne wirklich etwas zu schreiben.
Zweifelsohne war geschriebener Text nicht mein Medium, wenn es um Männer ging.
Er war emotional sehr direkt gewesen mit dem ,Ich vermisse dich‘ Satz. War es in Ordnung, wenn ich so etwas erwiderte?
Ich entschied mich für Ich werde an dich denken und drückte den ,Senden‘- Button.
Ich zwang mich selbst ins Bett zu gehen, ohne auf Antwort zu warten.

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